Round the Island | Seeland

Mit X-79 Single Handed unterwegs

Wahrscheinlich haben wohl alle Segler und Seglerinnen unerfüllte Segelträume. Mein Traum bestand darin, mit meinem Segelschiff des Typs X-79 einmal einen Urlaub in der Ostsee zu verbringen. Klingt eigentlich bescheiden, oder? Das Schiff ist dabei zum einen charakterisiert durch seine knapp 8 Meter Länge, die vier nur 50 cm breiten Rohrkojen, keinem WC, keiner Stehhöhe (bin 1,93 cm groß), vier Backstagen, keiner Reling und einem trommelhaft lautem Heck bei Wellenschlag. Da verwundert es nicht, dass die 5-köpfige Familie einen anderen Sommerurlaub bevorzugt.

Bootseigenschaften für die Ostseesegelei

Andererseits ist die „X-79“ der erste Bootstyp, den die renommierte Werft „X-Yachts“ im Jahr 1979 (daher der Klassenname) gebaut hat. Also ein Segelklassiker und genau für die Ostseesegelei von Niels Jeppesen entworfen . 468 Schiffe wurden bis Anfang der neunziger Jahre gebaut. Bezeichnend sind die wahnsinnigen Bootseigenschaften was Speed, Segel- und Seeverhalten anbelangt. Man merkt dem Schiff förmlich an, wie wohl es sich bei Wind und Welle fühlt. Das bietet das Berliner Revier nur bedingt.

Diesen Traum kann man also nur erfüllen, wenn man GANZ viel Zeit hat. Hierzu konnte ich in diesem Jahr glücklicherweise mit meinem Arbeitgeber ein „Sommer-Sabbatical“ von 3 Monaten vereinbaren. Von Anfang Juni bis Anfang September. Eine einmalige Chance einmal aus seinem normalen Alltag auszubrechen und Dinge zu tun, die man sonst eher nicht macht. Zudem eine Zeit, in der man sich besinnen kann und ausreichend Zeit zum Nachdenken hat. An was besseres kann man daher denken, als an einen ausgedehnten Segeltörn? Als kleine persönliche Herausforderung habe ich mich entschlossen, diesen Törn zudem alleine – Single Handed – zu absolvieren.  Zumindest weit überwiegend.

Zwischenzeitlich Double Handed

So ging es also mit dem Trailer und Schiff vom BYC Clubgelände am 10. Juni nach Warnemünde und dann einen Tag später auf der Ostsee Richtung Nord los. Ich hatte keine ganz feste Törnplanung, wollte aber das Smalandsfahrwasser bereisen und am Ende einmal Seeland umrundet haben. Der Törn führte mich nach Gedser, durch den Grönsund in das Inselmeer des Smalandsfahrwasser, durch den Großen Belt nach Samsö und über diverse Häfen auf Seeland nach Kopenhagen. Dort bekam ich durch meinen Bruder für die letzte Woche Verstärkung – dann Double Handed. Zu zweit kann man die Reisen dann doch etwas entspannter angehen und das haben wir mit einem Törn über die schwedische Südküste nach Bornholm und über Hiddensee und den Darß wieder zurück nach Warnemünde ausgiebig getan.

Überwiegend allein…aber doch nicht ganz!

Am Ende der Reise kann ich sagen, dass dieser Segeltörn für einen temporären Ausstieg aus dem Berufsleben die für mich beste Idee war. So schnell kommt man sonst sicher kaum in eine ganz andere Welt – physisch und psychisch. Auch die Zeit alleine an Bord war sehr spannend. Wann ist man normalerweise schon über einen Zeitraum von drei Wochen überwiegend alleine. Abgesehen von den Gesprächen mit dem Hafenmeister, der Kellnerin oder mit der Crew des Nachbarschiffs. Dank elektronischer Medien wurde WhatsApp quasi mein Logbuch. Die Familie und die Segelfreunde konnten so meinen Törn und ein paar aktuelle Eindrücke einfach mit verfolgen. Das gibt einem das Gefühl, dass man nicht ganz alleine ist.

bedacht – vermeiden – geschlossen

Seemannschaft habe ich auch noch einmal anders kennen gelernt: Safety First! Das Schlimmste wäre sicher gewesen, auf dem Schiff (ohne Reling) mit laufender Selbststeueranlage über Bord zu gehen. Interessant, wie bedacht man alle Arbeiten und Bewegungen an Bord ausübt, die man sonst mit Crew routinemäßig erfüllt, ohne lange darüber nachzudenken. Das startet mit der Sicherheitsaustattung an Bord, geht über die Routenplanung bis hin zum Vorbereiten und Durchführen von Manövern unterwegs. Vorsegelwechsel bei stärkerem Wind versucht man beispielsweise mit den Stagreitersegeln eher zu vermeiden. Auch die Navigation muss leicht von der Hand gehen. Die Kajütschotten und die Luke sind bei Wind meist wegen Wellenschlag geschlossen.

540 X-treme Seemeilen später

Seglerisch war es eine klasse Zeit. Im Juni sind die Häfen in der südlichen Ostsee noch sehr leer. Zudem spielte das Wetter perfekt mit. Einzig die Windstärke war hin und wieder ein Thema für mich. Am Ende hatte ich den Eindruck, mein Schiff nach den sechs Berliner Jahren noch einmal ganz neu kennen gelernt zu haben. 21 Törns und knapp 540 Seemeilen liegen im Kielwasser. X-trem gut!

Zeit für einen neuen Traum…

Stefan Hadré