• Die neuen alten Schärenkreuzer in Berlin

    Die neuen alten Schärenkreuzer in Berlin Als ich in den 70er Jahren mit dem Segeln in Berlin anfing, gab es kaum noch Schärenkreuzer auf dem Wannsee. Lediglich zwei Dreißiger zogen ihre seltenen, wenn auch beeindruckenden Runden. Wie gut, dass ich die Tochter eines Eigners kennen lernte und auch mal auf einem dieser Boote segeln konnte. Leider wurde das Schiff in den 80er Jahren dann aufgegeben und nach Bremerhafen ins Museum gebracht, wo es wohl auch heute noch zu sehen ist. Es blieb der 30er GER 10, der auch heute noch in Berlin liegt und hin und wieder gesegelt wird. Die großen Jahre der Schärenkeuzer auf Berliner Gewässern schienen vorbei. Kein Mensch wollte so ein pflegeintensives altes Holzboot haben - Plastik war angesagt, auch wenn viele der Plastikboote auch damals schon so hässlich waren wie sie heute erscheinen, Ausnahmen bestätigen nur diese Tatsache.    So blieb es bis nach der Jahrtausendwende, dass die ersten, teilweise wunderschön renovierten Klassiker den Wannsee befuhren und eindrucksvoll den Unterschied zu den neueren Konstruktionen demonstrierten. Unter den ersten „neuen Alten“ war auch ein Schärenkreuzer, der 22er Lil Stina, der in der Bootswerft Welkisch in Berlin restauriert wurde und gleich bei den Yardstick Regatten und der Havelklassik zeigte, was in diesen Booten steckt.    Nicht viel später tauchte ein weiterer 22er in Berlin auf, die Lou Lou, die, wie kolportiert wird, unter erschwerten Bedingungen von Schweden nach Deutschland gesegelt wurde. Es wird berichtet, dass es wohl eine sehr feuchte Überführung war…   Ich wollte mir ja eigentlich ein klassisches Folkeboot kaufen,  aber bei der Suche nach einem geeigneten Boot stieß ich auf das Bild eines 22er, Pinocchio, das mich nicht mehr losließ und dazu führte, das ich nach Schweden fuhr und das Boot kaufte.  Zu diesem Zeitpunkt hatte ich weder einen Liegeplatz, noch eine Idee wie ich das Schiff nach Berlin bekommen sollte  und welcher Bootsbauer die nötigen Restaurierungsarbeiten durchführen sollte. Aber mit tatkräftiger und kompetenter Hilfe von Frank Fritze von der Yachttechnik Potsdam wurde alles gut. Das nun Eos getaufte Boot wurde eine Augenweide und segelte dazu noch ziemlich schnell.    Nun waren wir schon drei, das Bild auf dem Wasser, das wir boten, muss inspirierend gewesen sein, so dass es nicht lange dauerte, bis weitere Schärenkreuzer dazu kamen. Auf einmal schwamm da ein 40er, die Trione, bei uns am Steg. Dann verbrannte der 35er Nationale Key Largo zusammen mit der Werft des Eigners und wurde durch den 30er Hathi ersetzt. Und es tauchten immer mehr Schärenkreuzer auf:  GER 4 Frauke und GER 44 La Belle  durchpflügten nun auch die Berliner Gewässer. Im Osten der Stadt gab es auch ein oder zwei Schärenkreuzer; einige auch am Scharmützelsee. Natürlich fuhren diese Schiffe nicht am Wannsee, aber sie tauchten bei den Veranstaltungen des Freundeskreises auf dem Müggelsee und der Havelklassik auf.  So wäre es auch geblieben, wenn nicht der 30er Hol Di Ran nach dem Tod des Eigners und nach aufwändiger Restaurierung - in Eigenarbeit des neuen Eigners -  Präsenz bei den Veranstaltungen zeigte und die aktive Schärenkreuzerflotte Berlins verstärkte.       Natürlich wurden auch Klassiker anderer Klassen mehr, aber mein Herz hängt an den Schären, daher schreibe ich hier mit Scheuklappen. Im Herbst 2013 tauchte ein Verkaufsangebot für einen Harry Becker 22er, die SWE 325 Pilgrim auf dem Schwedischen Pendant zu Ebay, -Blocket.se- auf und es war schon wieder um mich geschehen. Ich fuhr gleich mit Trailer nach Alingsas in der Nähre von Göteborg und brachte Pilgrim mit nach Hause.  Schweren Herzens verkaufte ich Eos (ex Pinocchio) an den Tegernsee und bastele seitdem an Pilgrim, die sehr schön, sehr schnell, aber auch sehr anfällig ist.    Anfang 2014 schlug das Schicksal wieder zu, die Key Largo Werft brannte erneut. Irgendwelche kriminellen Arschlöcher hatten neben der Werfthalle Feuer gelegt und die seit einem Jahr in der Werft verschönerte und verbesserte Hathi wurde ein Raub der Flammen, zusammen mit zig anderen Booten.    Dennoch wuchs die Schärenkreuzerflotte in Berlin: es kam der 22er GER 6 Clara, nach aufwändiger Restaurierung bei Fricke und Dannhus,  ein weiterer 40er, die White Lady, himmelschön bei Rambeck in Form gebracht, und der über 13 Meter lange 22er SWE 237 Paloma nach Berlin. Und auch ein Mälar 30 wurde auf dem Wannsee gesichtet. Ein weiterer 30er, die wunderschöne Wunderkind, machte nach einem Ausflug in die USA in Berlin fest.   Nach langer Suche und vielen Sondierungen konnte der Eigner der abgebrannten Key Largo und Hathi dann auch wieder ein Boot erwerben,  den Reimers 22er Schärenkreuzer SWE 299 Tintomara. Und das gerade noch rechtzeitig, um am Eurocup der 22er Schärenkeuzer im Berliner Yacht Club teilzunehmen.     Die 30er segeln seit Jahren abwechseln ihren Eurocup in Schweden und in Deutschland aus. Die 22er hatten bisher nur Klassenregatten in Schweden. Da sich dieser Bootstyp aber nicht nur in Berlin, sondern auch im restlichen Deutschland, der Schweiz, England und Ungarn zunehmender Beliebtheit erfreut, haben Adrian Schmidlin vom 22er  So Long und ich diese Regatta als erste Internationale Regatta und erste Regatta außerhalb Schwedens ins Leben gerufen und als Premiere in Berlin auf das Wasser gebracht.    Bei perfekten Bedingen segelten 16 Boote aus Deutschland, Schweden, der Schweiz und Ungarn einen tollen Eurocup, den der Kieler Nils Bunkenburg  vor der harten Konkurrenz  mit dem Laurin Riss Tricksonita gewinnen konnte.  Das Bild der sechzehn 22er bei 4-5 Windstärken und strahlend blauem Septemberhimmel  muss wieder tiefen Eindruck gemacht haben; vielleicht ebenso die Stegparties und die Abschlussparty mit Live Musik und Freibier, bei der man sogar Schweden beim Tanzen erwischen konnte. Dieser Eindruck bewirkte, dass zwei weitere Berliner Segler sich mit dem Schärenkeuzer-Virus infiziert haben und auf die Suche nach weiteren 22er gegangen sind. Der letzte Stand ist, dass bereits ein Schiff in Bayern gefunden und gekauft wurde und wohl gerade auf dem Weg nach Berlin ist. Der nächste 22er kommt bestimmt.    Zum Ende des Jahres 2014 gibt es nun wieder eine ansehnliche Flotte von Schärenkreuzern in Berlin, von denen auch viele an den Regatten des Freundeskreis Klassische Yachten und auch weiter entfernten Regatten teilnehmen und weiter teilnehmen wollen. Aus meiner subjektiven Sicht als Eigner eines 22er Schärenkreuzers freut es mich besonders, dass wir nun eine Flotte von neun (!) 22er Schären in Berlin haben und das davon sechs 22er im Berliner Yacht Club liegen. Mit den ebenso hier vertäuten 30er und 40er Schären, sowie den nationalen Kreuzern, der 5mR Yacht Goa, dem Sieben Segellängen Kreuzer Illusion und den vielen Jollenkreuzern und Klassischen H-Jollen, zeigt sich der Berliner Yacht-Club als Zentrum der Klassischen Yachten in Berlin.     Gerade die Flotte der Schärenkreuzer, die in Berlin in eindrucksvoller Weise ihre langen Überhänge und die wunderbaren Segeleigenschaften zeigen, lässt hoffen, dass die Entwicklung in dieser Richtung weitergeht und noch mehr dieser rasenden Zahnstocher einen Liegeplatz am Wannsee finden.    Matthias Grothues-Spork


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  • Dr. Spork Bolzen

    2014 fing gut an. Das Boot machte nur wenige Stunden Wasser, dann war es den Rest des Jahres dicht. Rechtzeitig zur ersten Regatta in Neustadt sollten die Segel da sein, was auf den letzten Drücker auch klappte. Zudem passten die Segel perfekt und waren auch noch schnell. Drei erste Plätze in Neustadt. Dann kam beim Reinsegeln der Mast von oben. Nach ausgiebiger Analyse mit Ulli Schütte und dem Rigger aus Greifswald war klar, das die Riggkonfiguration mit Diamonds und unverstagten Oberwanten eigentlich nix taugt, es sei denn man kann da Tonnen von Vorlast auf die Wanten geben, was sich bei einem alten Holzboot nicht anbietet.    Dank der Arbeit von Ulli Schütte und einigem Hin und Her war dann zu Classic Week wieder ein Mast auf dem Schiff. Und schnell war sie immer noch. Eine veränderte Verstagung und zusätzliche Unterbackstagen ließen das Rigg  kontrollierbarer erscheinen.  So auch bei der German Classics, wo wir im ersten rennen eine schöne Führung vor Nils ersegelt hatten, als das Ruderspiel massiv mehr wurde.  Am Ende der zweiten Spigangs hatte das Ruder gar keinen Einfluss auf die Fahrtrichtung des Bootes mehr. Also Spi weg, nur mit Segeln steuernd aus der Regattabahn herausfahren, Ankern und auf die DGzRS warten, die uns super sicher und professionell  bei 6 Bft nach Laboe schleppten.  Dort am Kran zeigte sich das Elend: das Ruderblatt war abgefallen. Die Welle war am Rumpfaustritt durchgerostet. Die Well war keine Bronze sondern irgendein schwedischer Stahl aus vorniro Zeiten.  Dank Ulli Schütte gab es sehr schnell einen schönen, wenn auch teuren Ersatz und ich konnte die Saison ohne weitere Regattaausfälle zu ende segeln.     Allerdings hatte mein vertrauen in Pilgrim etwas gelitten. Nachdem ich alles Technische an dem Boot, alles stehende und laufende Gut und alle Beschläge im Vorjahr ausgetauscht hatte, hatten sich nun versteckte Mängel gezeigt und ich hatte bisher Glück, das niemand zu Schaden gekommen ist. Was hatte das Boot noch zu bieten?    Da gibt es ja noch die Kielbolzen und da liefen ja seit Anfang der Saison Rostnasen unter dem Kielbalken heraus.  Nachdem ich jeden der es wollte und jeden der es nicht wollte über die Kielbolzen und deren Schicksale ausgefragt hatte, war ich eigentlich kurz davor diese im Winter zu wechseln. Aber das bedeutet einen Haufen Arbeit, den ich gar nicht leiten kann und kein Bootsbauer konnte eine genaue Prognose über die anfallenden Kosten machen. „Wenn die leicht rausgehen 4000€ wenn nicht kann es auch dreimal soviel werden“. „ Kannst Du mal mit 15000€ rechnen, da müssen dann auch die Wrangen erneuert werden und mal sehen was mit dem Kielbalken und Totholz los ist“. Nicht nur finanziell beängstigenden Aussichten.  In den Gesprächen  kam auch immer mal wieder der Vorschlag die Bolzen per Röntgen überprüfen zu lassen, aber keiner der Hundertschaften, die ich inzwischen genervt hatte konnte mir sagen wer so etwas macht oder wer so etwas schon mal hatte machen lassen.    Mir als Arzt ist Röntgen ja nicht fremd, aber ich hatte Zweifel ob es überhaupt möglich wäre so eine Röntgenröhre in die Bilge eines 22er Schärenkreuzers zu bekommen. Ich startete einige Anfragen aber zunächst erst mal ohne Erfolg. Dann kam nach einigen Wochen eine Antwort auf meine Anfrage an die Zeros Materialprüfung GmbH in Berlin Schönefeld mit Nachfragen zu einigen Details und dann die zuversichtliche Antwort von dem Prüfingenieur Andreas Niemann: Das können wir machen.  Also Schiff im November auf den Trailergehoben und nach Schönefeld in die Halle der Zeros. Dort blieb es zwei Wochen, dann kam der erlösende Anruf: Die Untersuchungen haben funktioniert und die Bolzen sind alle in Ordnung. Vor Ort habe ich dann die Röntgenbilder aller sieben Kielbolzen gezeigt bekommen, die Qualität ist beeindruckend, man kann alle Detail präzise erkennen. Die einzige vorhandene Beschädigung war dort, wo beim Bau des Schiffes mal versucht wurde  eine Schraube in den Kielbolzen zu drehen. Geringe Rostablagerungen im umgebenden Holz sich auch sichtbar, jeweils nur wenige Millimeter, so dass auch nicht die so genannten Nailsickness befürchtet werden muss, bei der der Rost nach und nach das Holz zerstört.    Die technische Durchführung der Untersuchung, die mir erstmal unklar war, da ich sicher bin, dass eine Röntgenröhre nicht in meine Bilge passt, erfolgte mit einer radioaktiven Selen-Strahlenquelle, die so klein ist, dass sie in nahezu jeden Winkel meines Bootes passt, so dass die Kielbolzen in der gesamten Länge, außer dem Verlauf im Bleikiel, wo erfahrungsgemäß kaum Korrosion auftritt, abgebildet werden konnten.  Die Abbildungsqualität ist so hoch, dass man zum Teil sogar die Maserung des Holzes erkennen kann. Darüber hinaus wurde eine Ultraschalluntersuchung der Bolzen in Längsrichtung durchgeführt, mit der Brüche der Bolzen erkannt werden könnten, die im Röntgen verdeckt bleiben könnten, wenn die Fragmente unverschoben aneinander liegen.    Die Untersuchung hat 1200€ gekostet. Gut angelegtes Geld, denn dieUntersuchung hat mein Vertrauen in das Boot wieder hergestellt ohne dass ich einen aufwändigen Austausch der Kielbolzen vornehmen lassen musste undsie hat mir einen Haufen Geld gespart.  Wer ähnliche Sorgen hat, sollte daher die Möglichkeit der Röntgenuntersuchung der Kielbolzen in Erwägung ziehen und kann dann mit etwas Glück eine Menge Geld sparen oder zumindest genau wissen, warum er alle oder einzelne Kielbolzen austauschen muss.   Matthias Grothues-Spork


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