BYC | Kanaltörn #1

Die Tide wartet nicht

Overfalls, Eddys, Tidal Races, Tidentore und ein Tidenhub von 10m+. Die Gezeiten sind die entscheidende Dimension beim Clubtörn im Tidenrevier zwischen England und Frankreich im Ärmelkanal. Nicht nur der Wind (und unser Trimm) machten unsere Fahrt aus – sondern die Tide unterstütze uns auch mit bis zu 5 kn. Die Berechnungen von Erhard und Michaela mit den Strömungsatlanten passten, so dass wir mit der gecharterten Sun Odysee 45 zweimal den Ärmelkanal querten und zwischen den Kanalinseln navigieren konnten.

Nächstes Ziel Fastnet Race?

Start war in Cherbourg, wo zeitgleich der Zieleinlauf des Fastnet Race war – zum ersten Mal in Cherbourg in Frankreich und nicht Plymouth. Die Sailing City und ein spannendes Boot neben dem anderen waren ein cooler Empfang. Ein kurzes Nicken zu den Fastnet Crews musste reichen. Was waren wir beeindruckt!

Von Cherbourg machte sich bei 20kn Wind die BYC Clubcrew nach Cowes auf der Isle of Wight auf. Beim Einfahren in den Solent bekamen wir einen ersten Vorgeschmack auf die Tidenströmung, die uns mal kurz den Bug Richtung Fahrwassertonne wegdrückte. Fast alle Tonnen im Solent tragen liebevolle Namen – nicht nur Schwiegermutter. Zum Sonnenuntergang legten wir in Cowes an – das Kompliment von englischen Segeltrainern für unser Manöver war kein britisches Understatement.

Landgang Cowes

Der Royal Ocean Racing Club in Cowes mit seinen 22 Startkanonen wurde ehrfürchtig bestaunt. Galerien und eine entzückende Segelstadt haben uns gut gefallen. Am Abend führte uns ein kurzer Schlag durch den Solent Richtung Norden nach Portsmouth – um dann frech neben der schwarzen IMOCA Hugo Boss von Alex Thomson festzumachen. Auf dem Bild sind Erhard Zimmermann, Jutta Kallmann, Andreas Lichtschlag, Anja Kamradt, Maja Steigüber, Irene Parandier-Stasik, Michaela Hampf und Gunnar Kuphal zu sehen.

Weiter kreuzten wir den Solent hinauf Richtung Westen. An der Mooringtonne, sanft von der Tide gedreht, in Sichtweite des Forts Hurst Castle vor Yarmouth übernachteten wir am Ausgang des Solents.

The Needles

Am nächsten Morgen war die Strömung bei Windstille mit uns und so gab es Zeit zur Fotosession mit den Needles. Die Races sahen an diesem Tag harmlos aus, aber das kann auch ganz anders sein. Entlang ging es zwischen Hummerbojen an der Küste Devons mit ihren vielen beeindruckenden Overfalls weiter – und da waren dann unter uns ganz schön viele Wassermassen unterwegs. Segeln im Wackelpudding.

In englischen Seebad Weymouth mussten wir den leichten Südwind aussitzen, bis wir nach zwei Tagen Landgang mit Beginn des Tageslichtes und vor allem günstiger Tide Richtung Süden und Kanalinseln ablegten.

Unter Spi im Kanal

Unter Spinnaker bei schönstem Sonnenschein mit Tankern im Nacken ging es Richtung Jersey zu den Îles Anglo-Normandes, den Channel Islands.

Unsere zweite Kanalüberquerung ging in eine Nachtfahrt bei Vollmond über. Hoch am Wind über Stunden den Phare des Casquets im Blick – Namensgeberin des berühmten Verkehrstrennungsgebietes. „Da willst Du hin – und kommst doch nie an“. Das Tracking (abgebildet) zeigt wie es uns erst in die Bucht von St. Malo versetzt hat und dann wieder raus. Wir erwischten einen Neerstrom nördlich von Alderney und konnten uns einklinken bis wir endlich! den Leuchtturm bei ruppiger See mit Strom gegen den Wind hinter uns lassen konnten. Wir segelten im dreistündigen Wachrhythmus im perfektesten Mondschein nach Jersey.

Am Morgen in St. Helier verpassten wir knapp um wenige Minuten und wenige Zentimeter das Tidentor von Jersey. „Know your draught“ stand in riesigen Buchstaben neben der Einfahrt, wir nahmen es ernst. Und so sanken wir – Crement trinkend – am Warteponton festgemacht hinab in die Tiefe zwischen den Hafenmauern von St. Helier.

Overfalls

Auf dem Rückweg nach Cherbourg mussten wir einige Stunden südlich von Alderney ankern, um auf das Kentern der Tide zu warten – und wieder mit Blick auf den Phare des Casquet. Weiter gings an Alderney vorbei über die Alderney Falls, die wir bei Sturm nicht erleben möchten. Das Cap La Hague rundeten wir dann um Mitternacht mit einer Rauschefahrt von 11kn über Grund bei mäßigem Wind.

Was besonders war: es war wirklich lustig an Bord. Und das Essen war beindruckend: mit Panncakes, Misosuppe, Fisch, Cataplana und Lamm in Honigsenf wurden wir verwöhnt. Victor Hugo Lesungen (Arbeiter des Meeres), Shantys und diverse Museumsbesuche gaben das kulturelle Niveau. Die Stimmung war lustig, seglerisch war die Gezeitennavigation spannend und die Strömung war mit uns.

Anja

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